Schöner scheitern
Ich bin gestern bei meinem ersten Versuch durch die Führerscheinprüfung gerasselt. Und das lag weder an einem bösen Prüfer oder einem unfähigen Fahrlehrer, sondern an mir. (Außerdem war der Prüfer sehr nett und mein Fahrlehrer ist eh ein Held.) Ich bin eine halbe Stunde lang sehr vorsichtig und umsichtig gefahren, wurde Zeugin von zwei Fast-Unfällen und habe dann eine rote Ampel verwechselt. In Oldenburg geht das tatsächlich. Der Fahrlehrer musste bremsen, es piepte, ich war offiziell durchgefallen und heulte vor lauter „Der Druck ist weg und ich bin so enttäuscht von mir und der Welt“ erstmal mit vollem Einsatz los (und das kann ich gut und von Herzen und durchaus eindrucksvoll, fürchte ich). Einige Lektionen aus diesem Erlebnis sind, dass man einerseits erst am Ende der Prüfung bestanden hat (nicht schon auf dem Weg zurück zum TÃœV) und dass mein Augen-Makeup definitiv nicht wasserfest ist.
Vor allem aber lerne ich mal wieder viel über das Scheitern. Das gestern war ein Fehler, der mich unfassbar geärgert hat. Eine Sekunde falsch gedacht, und das kostet mich jetzt deutlich Kohle und vor allem auch zwei Wochen Unbequemlichkeit. Vollkommen unnötig fand ich das.
Und dann habe ich reagiert, wie ich es oft tue: Ich habe Leuten davon erzählt und dabei den Humor der Situation gesucht. Das Seemannsgarn, die daraus gerade entsteht, ist noch nicht vollkommen ausgearbeitet, aber bis ich mal Kinder habe und Enkel, ist das eine supertolle Geschichte geworden. Aktuell erzähle ich den Leuten einfach, eine Ampel hätte mich angesprungen, aber das alleine ist nichts, was mich in 40 Jahren zu eine coolen Oma machen wird. Es fehlen noch der heldenhafte Fahrlehrer mit den tollen Oberarmmuskeln, die Zombie-Polizisten, der Blizzard und die Fahrradfahrer der Hölle. (Das wird ein Spaß, wenn ich mal alt bin und meinen Enkeln davon erzähle, wie schlimm das früher alles war und wie ich barfuß durch Eis und Schnee zu meiner eigenen Geburt laufen musste. Kinners, ihr wisst gar nicht, wie gut ihr es habt!)
Das fühlt sich gut an. Es ist nämlich eine Sache, was mir passiert (oder was ich verkacke), eine ganz andere Sache ist meine Interpretation der Ereignisse. Zwischen der Reaktion, dass das jetzt eine Katastrophe ist, dass ich versagt habe und die Welt sich gegen mich verschworen hat sowie der Suche nach Positivem an diesem Erlebnis liegen nicht nur gefühlt Welten. Und was ist nun positiv an der ganzen Geschichte? Zunächst wies ein Freund mich zu Recht darauf hin, dass ich nun ein paar mehr Fahrstunden nehmen werde und auf die Pendelei einfach noch besser vorbereitet sein werde (er meinte, in Gamespeak nenne man das „Hochleveln“). Außerdem war ich ohnehin ein wenig traurig, den schönen Fahrstunden mit meinem supernetten Fahrlehrer den Rücken kehren zu müssen, und werde die letzten paar Momente mit ihm sehr genießen. Außerdem habe ich mir das Gefühl des Scheiterns und der Enttäuschung sehr genau angesehen, und auch wenn ich die Lektion aus diesem Erlebnis noch nicht genau in Worte fassen kann, habe ich mit Sicherheit viel gelernt. Und natürlich springt eine gute Geschichte dabei raus – und ein Blogbeitrag. (Achso, und meine Freunde waren toll und süß und aufbauend. Es ist immer wieder wunderbar, diese Unterstützung in meinem näheren und weiteren Umfeld zu spüren.)
Wusstet ihr übrigens, dass die Wahrscheinlichkeit, bei der ersten Führerscheinprüfung durchzufallen und bei der zweiten Prüfung zu bestehen unendlich mal größer ist als umgekehrt? (Wer beim ersten Mal besteht, besteht beim zweiten Mal niemals nicht. Fragt euch mal, wieso das so ist…)
P.S.: Die Parkscheibe auf dem Bild ist etwas ganz besonderes. Mein Fahrlehrer hat mir auf meinen Wunsch hin auf die Rückseite eine Widmung geschrieben. Noch so etwas schönes in meinem Leben.