Archiv der Kategorie Erinnerungskiste

Kodak Instamatic

Und wieder mal eine gezeichnete Kamera, die Kodak Instamatic meiner Oma. Mit dieser Kamera wurden sämtliche Urlaube mit ihr dokumentiert, am liebsten mit der charmanten Bitte an einen „netten jungen Herrn“, man möge sie doch mit der Enkelin fotografieren. Am Strand, vorm Hotel, vor irgendwelchen Sehenswürdigkeiten. Und könne sich der Herr vorstellen, dass sie schon fast 80 sei? Kokettes Wimpergeklimper.

Dazu gehörte natürlich vor dem Urlaub die Jagd nach passenden Filmen (die man damals allerdings meistens noch in Drogerien bekam), und nach dem Urlaub das Auswählen der schönsten Fotos, die dann in unser Urlaubsalbum durften. Damit ich die Urlaube nicht vergessen möge, wenn ich mal erwachsen sei. Und das hat ja tatsächlich geklappt, denn die Urlaube mit Oma gehören zu meinen liebsten Kindheitserinnerungen.

Instamatic

Passfotos

Jeden Donnerstag wieder ein Gegenstand und die Erinnerungen, die ich damit verbinde. Heute: Einige Streifen mit Passfotos, mit und ohne den Liebsten.

Es gibt Dinge, die mag ungefähr jeder. Schokolade. Sternschnuppen. Und Passbilder. Keine Ahnung, wieso. Eines der Mysterien der Welt, schätze ich.

Jedenfalls geht’s mir so.

Ich kann nicht an einem Passfotoautomaten (also, nicht so nem doofen biometrischen) vorbeigehen, ohne den aktuellen Moment festhalten zu wollen, in 4 Einstellungen. Und irgendwie sind Passfotos auch die einzigen Bilder, auf denen ich mir wirklich gut gefalle…

Auf dem oberen linken Bild bin ich in Berlin, das ist jetzt sechs Wochen her, auf meiner Deutschlandreise. Da ich alleine gereist bin, aber fotografiert habe, als wäre ich vollkommen irre geworden, war es auch irgendwie logisch, mich mit der La Sardina zu fotografieren. Während ich auf die Fotos wartete, kam eine dänische Familie an. Und wie es mir mit der Kamera öfter passiert, haben wir uns erstmal lang und breit über Lomographie unterhalten (so eine bunte Kamera bringt einen echt in Kontakt), und irgendwann stand ich dann ne Weile herum und wartete hoch bepackt mit vier Jacken, damit die Familie gemeinsam in den Fotoautomat passte und ein Erinnerungsfoto von Berlin machen konnte.

Das obere rechte Bild ist eine meiner Favoriten – entstanden vor vier Jahren, als ich in Australien war. Nils hatte mich für 6 Wochen besucht, und in einem Einkaufszentrum stand eben so ein Automat. Als er dann später wieder weg war, und ich zumindest zeitweise schier starb vor Heimweh und Sehnsucht, habe ich diese Passfotos ständig bei mir getragen.

Und das letzte Bild ist in einem Fotoautomat in Hamburg entstanden. Ich liebe diese Stadt, und einer der ganz großen Vorteile meines Semestertickets war die Tatsache, dass ich hinfahren konnte, so oft ich nur wollte. (Das heißt: ungefähr zweimal im Jahr. Naja.) Zusammen in die große Stadt fahren, durch kleine Läden bummeln, irgendwo etwas essen und sich einfach ganz viele Ideen holen.

Also, idealerweise hätte ich ja gerne Passfotos aus jeder Stadt, in die ich fahre – aber der Witz ist ja, dass man diese Automaten nur mit Glück findet, plötzlich, wenn man einfach durch die Gegend stromert. Plötzlich steht er dann da, ich werde ganz begeistert und schleife einen mal mehr, mal weniger begeisterten Nils hinein. Viele Erinnerungen an ebenso viele schöne Tage.

Ein Riesenteddy

Jeden Donnerstag wieder ein Gegenstand und die Erinnerungen, die ich damit verbinde. Heute: Ein Riesenteddy.

Als ich klein war, hießen alle Teddys Otto, zumindest in meiner Welt. Es gab Ottopapa, Ottomama, Ottobaby, Ottoschwester… Eine ganze Familie von Ottos. (Das ist so eine kindliche Logik – denn schließlich war es damals ja auch logisch, dass die Frau vom Papagei eine Mamagei ist, und dass ihr Kind das Babygei ist. Ist klar, ne?)

Besonders wichtig waren dabei Ottopapa und Ottobaby, da ich beide schon seit dem ersten Lebensjahr hatte. Ottopapa war einfach riesig – gerade als kleines Mädchen von 2 oder3 Jahren war er immer noch fast so groß wie ich, und vor so einem großen Bär hatte ich irgendwie Angst. Ottobaby dagegen war ein kleiner, grauer Bär, ungefähr von der Größe einer erwachsenen Hand. Rote Nase, schwarze Knopfaugen, karierte Schleife. Unfassbar frech, das Viech. Mein Vater hat ihm eine Stimme verliehen, und wenn Papa mir nicht gerade Zirkusgeschichten erzählte, gab Ottobaby eine Erklärung dafür, warum mein Zimmer immer so unordentlich war. Der kleine Bär war vollkommen anarchistisch: Er feierte wilde Partys im Barbiehaus, verwüstete mein Zimmer und war süchtig nach Honig und Fischdosen. Und er gab extrem viele Schimpfwörter von sich, was natürlich besonders toll war. Ich hab den kleinen Bären geliebt, und ich glaube, mein Vater liebte ihn noch ein bisschen mehr. Deswegen war es umso tragischer, als ich dann mit 12 verloren habe – er ist nie wieder aufgetaucht, und ich habe so richtig um ihn getrauert.

Ottopapa dagegen ist noch immer in meinem Leben. Er dient als zweites Kissen, wenn ich lese, und er hat sogar mal in einem Theaterstück mitgespielt, als ich im letzten Jahr mit Freunden den „Zusammenstoß“ von Kurt Schwitters erarbeitet habe, wo ein sprechender Bär und ein Eifersuchts“drama“ rund um diesen Bären eine Rolle spielt. Mein Kindheits-Teddy kennt also mittlerweile auch die Bretter, die die Welt bedeuten.

Ein Stück Kokosnuss

Jeden Donnerstag wieder ein Gegenstand und die Erinnerungen, die ich damit verbinde. Heute: Ein Stück Kokosnuss.

Vor vier Jahren habe ich – wie schon einmal erwähnt – sechs Monate in Australien verbracht. Und während ein guter Teil dieser Zeit mit einem Praktikum und einigen „odd jobs“ gefüllt war, hatte ich auch Gelegenheit, eine geführte Reise durch Westaustralien zu machen. Schnorcheln (und dabei fast ertrinken), schwimmen, sandsurfen, unter dem Sternenhimmel schlafen, Wanderungen durch unfassbar schöne und körperlich herausfordernde Landschaften machen – es waren volle zehn Tage, angefüllt mit dem wilden Aspekt Australiens.

Irgendwann gehen auch Tage vorbei, die mit Abenteuer gefüllt sind, und für mich endeten sie mit einer Woche im Nordwesten Australiens, in Broome. Und dort habe ich am ersten Abend beim Rückweg vom Strand und einem atemberaubenden Sonnenuntergang ein Stück Kokosnussschale gefunden. Das war so ein Moment – ich meine, ich laufe da irgendwo eine Straße entlang, und da liegt einfach so ein Stück einer Kokosnuss, und es ist einfach ein alltäglicher Teil dieser Straße. Ich habe es mitgenommen, weil es irgendwie dieses unfassbare Paradies symbolisierte, in das ich da geraten war. Eine Straße mit Kokosnüssen. Ein wunderschöner Sandstrand – mit Kamelen. Sonnenuntergänge.

Gleichzeitig hatte ich aber in Broome auch die Woche meines größten Pleitegeiers. Da ich noch eine Woche Sydney (und eigentlich auch eine Woche Bangkok, die dann aber ausfiel) vor mir hatte, allerdings aber kaum noch Geld, habe ich versucht, quasi ohne Geld in Broome zu leben. Das bedeutete den billigsten Raum im Hostel, also ein Viererzimmer ohne Klimaanlage bei 36°C Tagestemperatur und ich weiß nicht wie hoher Luftfeuchtigkeit. Schlafen ging nur dann, wenn ich heftigste Erkältungsmittel nahm, die ich noch dabei hatte – die knockten mich einfach aus. Eine vollwertige Ernährung aus Toastbrot, Nudeln und Tomatensauce. Und der Versuch, die Zeit rumzukriegen – was dann mit viel Lesen in Hängematten und Spaziergängen am Strand auch gelang. So eine Woche, in der die Zeit quasi still stand, rein gar nichts zu tun war – das ist durchaus eine Erfahrung wert. Pleite im Paradies.

Ilias und die Odyssee

Jeden Donnerstag wieder ein Gegenstand und die Erinnerungen, die ich damit verbinde. Heute: Ein Buch, das ich als Kind geliebt habe, stellvertretend für alle Bücher, die ich so verschlungen habe.

Vor einigen Monaten war ich bei jemandem mit beeindruckendem Bücherregal zu Besuch. Auch wenn ich nie in fremden Schubladen wühlen würde, empfinde ich es doch als vollkommen legitim, in fremden Bücherregalen zu stöbern. In diesem Fall habe ich ein Buch wieder entdeckt, das ich mit 9 heiß geliebt habe: „Ilias und Odyssee“, nacherzählt von Walter Jens.

Wie ich letzte Woche schon geschrieben habe, war ich immer schon eine Leseratte. Viel davon verdanke ich meiner Maman, die einerseits selbst viel las (und ich war immer so neidisch, weil ich aus dem schwarzen Gekleckse nicht schlau wurde), und mir andererseits als Kind immer half, an genügend Lesematerial zu kommen. Soweit ich mich erinnere, sind wir bestimmt einmal die Woche in die Bücherei gegangen, wo ich lange Zeit damit verbrachte, „den perfekten Lesestoff“ für die kommende Woche zu finden. Das konnte dauern, weil ich Klappentext um Klappentext gelesen habe. Abends dann saß ich oft mit meiner Maman am Küchentisch, und dort haben wir gemeinsam gelesen. Dazu gab es einen Tee für jeden, und eben auch ein Buch. Und wenn es dann ins Bett ging, wurde um jede weitere Minute, jede weiter zu lesende Zeile verhandelt. („Nur noch dieses Kapitel, wirklich!“)

„Ilias und Odyssee“ war dabei noch ein ganz besonderes Buch: Maman hatte es in der Bücherei entdeckt und meinte, das müsse ich unbedingt lesen, weil sie es als Kind schon geliebt hatte. Und ich habe es genauso geliebt – und danach alle Sagen und Märchen gelesen, die es in der Kinderbibliothek zu finden gab. (Seitdem bin ich auch bei allen Quiz (ja, das ist nach Duden der korrekte Plural) diejenige, die die Mythologiefragen beantworten kann. Das war später auch im Deutschunterricht sehr hilfreich, als wir „Iphigenie auf Tauris“ gelesen haben.)

Aus der Leserattenerfahrung heraus verschenke ich an fremde Kinder übrigens am Liebsten Bücher. Im letzten Jahr beispielsweise wurde meine kleine Großnichte getauft und bekam einfach mal einen Grundstock für ihre Bibliothek.

Welche Bücher haben denn euch als Kinder vollkommen fasziniert? Besitzt ihr die Bücher noch (oder wieder)?

Das Leseschiff

Jeden Donnerstag wieder ein Gegenstand und die Erinnerungen, die ich damit verbinde. Heute: Ein Foto der Stadtbibliothek meiner Heimatstadt.

So eine Bibliothek ist schon ein Wunder, das mich immer wieder begeistert: Man kann stundenlang in Büchern wühlen, schmökern und darf dann soviele Bücher mitnehmen, wie man tragen kann. Und das entweder für umme oder für extrem wenig Kohle. Ich könnte mich ganze Tage darüber freuen (aber dann hätte ich ja für nix anderes mehr Zeit). Und dann gibt es ja auch noch Spiele, Filme, Musik, Hörbücher – großartig.

Was man da auf dem Foto sieht, ist die Kinderabteilung der Stadtbibliothek, in der ich die erste Tonne Bücher verschlungen habe. Mein Vater hat mir letztens erzählt, dass ich so mit 3 einmal von jemandem nach meinem größten Wunsch gefragt wurde – und dass ich geantwortet habe, dass ich lesen können wolle, so wie alle anderen. Das beschreibt mein Verhältnis zu Büchern wohl ganz gut, und bis heute habe ich eigentlich immer ein Buch dabei, damit ich in Warteschlangen, Wartezimmern und an Bushaltestellen lesen kann. Oder mitten auf Parkplätzen.

Die Liebe zu Büchern ging dann so weit, dass ich zwischendurch überlegt habe, Bibliothekarin zu werden. Wir mussten damals in der 10. Klasse irgendein Berufspraktikum machen, und ich habe mir die Stadtbücherei ausgesucht. Die 2 Wochen, die das Praktikum dauerte, habe ich voller Begeisterung damit verbracht, Bücher alphabetisch zu sortieren, Spiele auf Vollständigkeit zu prüfen und an der Ausleihe zu helfen. Ganz großartig.

Am schönsten ist, dass ich vor einiger Zeit die Stadtbibliothek Oldenburg für mich entdeckt habe. Auch wenn sie sich nicht so nach Zuhause anfühlt wie meine Heimatbücherei, ist sie dennoch ungefähr genauso herrlich und ich kann sie nicht ohne eine prallgefüllte Tasche verlassen. Und das, obwohl ich in den letzten Jahren immer dachte, ich müsste Bücher, die ich lesen will, gleich auch besitzen. Muss ich nicht. Ätsch, amazon!

Wie ist das bei euch? Seid ihr auch solche Bücherfanatiker? Müsst ihr immer gleich alle besitzen oder haltet ihr es auch, die geliebten Schmöker wieder zurückzugeben?

Ein Bahnhofsschild

(Ab jetzt) jeden Donnerstag wieder ein Gegenstand und die Erinnerungen, die ich damit verbinde. Heute: Ein Foto von einem Bahnhofsschild.

Im Urlaub habe ich auch einen wunderbaren Tag mit meinem Vater verbracht, und dabei hat er mir ein tolles Geschenk gemacht: Irgendwann vor einigen Monaten hatte er einige Negative wiedergefunden, die auf den Reisen meiner Oma und mir entstanden sind. Das Geschenk besteht in einer CD mit eben diesen Fotos. Bilder, an die ich mich nicht mehr erinnert habe und über die ich mich sehr, sehr freue.

Eines dieser Bilder zeigt den Bahnhof von Himmelpforten, aufgenommen auf einer Zugfahrt nach Cuxhaven, in den Urlaub mit meiner Großmutter. Ich war so 13 oder 14 und es war einer unserer letzten Urlaube. Die Male, die wir diese Strecke gefahren sind, war sie immer vollkommen begeistert von zwei Zwischenhalten, nämlich Buxtehude und Himmelpforten. Buxtehude liebte sie, weil sie den Namen einfach total lustig fand und sich wohl erinnerte, den Namen mehrfach in Kinderbüchern gelesen zu haben, und Himmelpforten liebte sie wegen des Weihnachtspostamtes. Dorthin können seit 1966 Kinder Briefe schicken, wenn sie dem Weihnachtsmann schreiben wollen, und jeder Brief wird beantwortet. Wann immer ich von einem dieser beiden Orte höre oder lese, muss ich bis heute über die kindliche Freunde meiner Oma lächeln.

Sie hat nen Vogel

Am Montag ist es mir das vierte Mal in meinem Leben passiert, dass ich einen Vogel gefunden habe. Anders kann man es einfach nicht beschreiben. Die vorherigen Male hatte ich schon einmal hier beschrieben – damals war ich auf dem Weg zu einem Interview mit Schülern gerade am Eingang der Schule, als ein Kleiber mit Karacho gegen eine Scheibe flog. Ich hab ihn aufgehoben, er kam langsam zu sich und irgendwann flog er weg. Ein schönes Erlebnis.

Und jetzt eben erneut. Diesmal war es ein kleiner Papagei, hellblau gefiedert, mit einem leuchtend roten Schnabel. Auf den ersten Blick sah er aus wie eine zusammengeknüllte Plastiktüte, wie er da saß und den Schnabel ins Gefieder steckte. – Was macht man, wenn man in einer Gegend mit vielen Katzen lebt und einen Vogel findet, der ganz klar ein Haustier ist? Genau, man ruft vollkommen ratlos den Freund an. Und dann ruft man die Polizei, die dann einen Streifenwagen schickt. Die Polizei wiederum hat dann meine Personalien aufgenommen und auf die Feuerwehr gewartet, und ich bin dann vollkommen glücklich gegangen. Erstaunlich, dass der Kleene nicht weggeflogen ist, sondern die meiste Zeit gepennt hat, sich auch von einem vorbeifahrenden Zug nicht stören ließ und irgendwann mal ein bisschen Futter suchen ging. Er flog nicht, er spazierte ganz gemütlich durch die Gegend. Ich bin jetzt mal gespannt, ob ich noch was von den Besitzern höre, weil ich mir den Kleenen schon ganz gerne mal aus der Nähe ansehen würde – draußen war ich lieber zu vorsichtig, damit er nicht wegfliegen möge.

Interessant fand ich bei der ganzen Sache, dass in der Zeit mehrere Leute an mir vorbei liefen, ohne den Vogel auch nur zu bemerken. Ein leuchtend hellblauer Papagei, und die Leute sehen ihn einfach nicht! Für mich ist das unfassbar – und eigentlich wieder eine Bestätigung: Wenn man nur die Augen aufmacht und hinsieht, findet man überall Wunder, kleine und große.

In einem Papageienforum habe ich mich übrigens erkundigt und man sagte mir, dass ich wahrscheinlich eine Mutation eines Halsbandsittiches gesehen hätte. (Die Mutation bezieht sich auf die Farbe.)

Ich finde ja, dass dieser Vogel wie der blaue Himmel in Vogelform aussah.

Und hier noch das Bild eines Kanarienvogels, der mir vor Jahren zugeflogen ist. Noch so ein Wunder.

Das Copyright zum obersten Bild liegt übrigens bei Johann Fößl und zeigt nicht den Vogel, den ich „gefunden“ habe, sondern nur einen Vogel derselben Art.

Mein Urgroßvater

Jeden Donnerstag wieder ein Gegenstand und die Erinnerungen, die ich damit verbinde. Heute: Ein Foto meines Urgroßvaters.

Beim Wühlen letzte Woche bin ich wieder auf dieses Foto hier gestoßen – dieser Herr ist mein Urgroßvater, der Vater der Oma, von der ich hier immer so viel schreibe. Ist es zu fassen, dass ich nicht mal seinen Namen wusste, bis ich meinen Vater angerufen und gefragt habe? Franz Bienert hieß der Uropa und war ein äußerst spannender Mann.

Es war wunderbar, wie mein Vater ans Erzählen kam über die Abenteuer vom Opa Franz, dem einzigen Opa, den er je hatte.

Ungefähr 1890 ist er geboren, vielleicht auch 1892. Körperlich war er immer ein sehr kleiner Mann, 1,50, vielleicht auch 1,60, dafür aber umso muskulöser. Er war leidenschaftlicher Gewichtheber und Ringer und musste sein Leben lang trainieren, um seine Muskeln nicht zu verlieren – gerade bei sehr muskulösen Menschen ist das wohl ein Problem, wenn sie irgendwann nicht mehr trainieren, dass die Muskeln dann so zusammenfallen, ganz komisch. Tätowiert war er auch.

Im ersten Weltkrieg hat er mitgekämpft, sogar in Verdun. Mein Vater besitzt seinen Militärgürtel. Der ist deshalb so besonders, weil mein Urgroßvater im ersten Weltkrieg eine Kugel abbekam, in den Bauch. Wobei – nicht in den Bauch, sondern in den Gürtel. Mein Vater meint, der Gürtel hätte Franz das Leben gerettet – und damit meiner Oma und meinem Vater und mir überhaupt erst das Leben ermöglicht. Unfassbar.

Irgendwann muss er dann Anna geheiratet haben, und 1921 kam Erika Anna zur Welt, ihr einziges Kind, meine Oma. (Wenn man sich überlegt, dass sie gestern ihren dritten Todestag hatte – das sind Zeiträume…) Für Erika baute er eine Puppenküche, die mein Vater noch hat und die ich demnächst bekommen werde und die Kleene durfte überhaupt sehr behütet aufwachsen. Franz selbst arbeitete in einer Textilfabrik – und während der kommenden Jahre und Jahrzehnte blieb das auch so. Im zweiten Weltkrieg arbeitete er auch noch dort und sie bekamen dort auch Zwangsarbeiter zugeteilt, Kriegsgefangene, die tagsüber kamen und nachts wieder in ein Lager mussten. Franz hat ihnen das Leben gerettet, indem er ihnen immer wieder Stullen zusteckte. Unspektakulär, ja. Aber wirkungsvoll. Nach dem Krieg bekam er dann eine Medaille dafür.

Nach dem Krieg blieb er dann in Apolda, wo er schon so lange lebte, und da Apolda Ostdeutschland war, erlebte er noch bis zu seinem Tod 1967 den Realsozialismus mit. Er muss recht plötzlich gestorben sein, aber ich habe noch eine Postkarte von ihm, die wenige Wochen oder Monate vor seinem Tod geschrieben wurde.

Mein Vater hat seinen Opa zwar nur manchmal gesehen, weil er dafür extra in die DDR einreisen musste, aber er schwärmt vom Opa Franz. Von den tollen Freunden, zu denen er immer mitdurfte, alles Muskelmänner, sehr nette Leute.

Das sind jetzt nicht meine Erinnerungen und ist auch nicht meine Geschichte. Aber es ist eine Geschichte, die irgendwie zu mir führte. Ein Lebensweg, der zwei Kriege und zwei Diktaturen durchlief. Die Geschichte eines Mannes, den ich wahnsinnig gerne kennengelernt hätte.

Drei Jahre genau…

… ist es her, dass meine Oma gestorben ist.

Ich kann nicht anders, als das hier mal zu bemerken und zu sagen: Ich denke täglich an sie. Mit ihrem Tod hat meine Leidenschaft für Vintage erst richtig begonnen und für die Eleganz, die zu ihrer Zeit gehört hat. Sie ist in allem, was ich tue, in vielen meiner Vorlieben und in meinem Kleidungsstil. Manche sind Mamakinder, manche sind Papakinder. Ich bin ein Omakind.

Dieses Bild zeigt uns übrigens bei unserem letzten Mallorca-Urlaub. Da hat sie bestimmt mal wieder einen „netten jungen Herrn“ überredet, von uns ein Bild zu machen. Sie trägt da übrigens gerade ihr absolutes Lieblingskleid, gekauft irgendwo auf der Playa de Palma.

Zum Tod fällt mir noch eine schöne Anekdote von uns beiden ein. Als mein Opa starb, mit dem meine Oma fast 35 Jahre lang verheiratet war, war ich 4 und meine Oma 68. Und wie es üblich zu sein scheint (oder war, keine Ahnung), trug meine Oma Trauer. Ich glaube, ein Jahr ist üblich, aber dazu kam sie nicht, denn ich kleines Etwas motzte lange und ausdauernd mit ihr. Ich fand die schwarzen Kleider schrecklich und wollte meine Oma lieber in bunt. Was dazu geführt hat, dass sie nach einigen Monaten das Schwarz abgelegt hat und wir unseren ersten gemeinsamen Urlaub gemacht haben.

Und heute trage ich ihr zu Ehren mein 50s-Kleid, stecke die Haare hoch und esse Yogurette. Auf dich, Oma!


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