Alternativer Buchpreis

Jeden Donnerstag wieder ein Gegenstand, mit dem ich schöne Erinnerungen verbinde und seine Geschichte.

Heute: Der „alternative Buchpreis“, den mein Vater mir verliehen hat, als ich 12 war.

Erstmal lesen:

Als Schülerin war ich – ich glaube, andere würden es als „Streberin“ bezeichnen. (Ich nicht.) Am ersten Schultag habe ich beschlossen, dass ich jetzt alles Wissen in mich aufsaugen will. Ich hab die Lehrerin umarmt und wollte nicht mehr nach Hause. (Was sollte ich auch das? Die interessanten Sachen würden schließlich in der Schule passieren. Die Lehrerin und ich würden einfach noch weitermachen, wenn die doofen anderen Kinder spielten, und ich würde innerhalb kürzester Zeit lesen können und die Relativitätstheorie überarbeiten. Was man halt so macht als Sechsjährige.) Und so war ich dann die ersten 6 Jahre meiner Schulkarriere Klassenbeste. Keine Kunst, wenn man so gerne lernt, wie ich das tat. Im Gymnasium gab es dann für einen gewissen Notenschnitt sogar einen Buchpreis, jedes Jahr zu den Zeugnissen.

Aber dann – Grauen, oh Grauen – kam die siebte Klasse. (Der geneigte Leser wird gebeten, sich die Musik aus „Psycho“ vorzustellen.) Und mit der siebten Klasse kamen Gleichungen. (Die Musik wird immer gruseliger.) Und ich verstand plötzlich kein Mathe mehr! (Jetzt sticht das Messer von Norman Bates durch den Vorhang und ihr kreischt alle.) Naja, ich bildete mir das zumindest ein. Ich bildete mir das immerhin erfolgreich genug ein, um eine Drei in Mathe zu bekommen. (Jetzt läuft die Putzfrau durch euer inneres Bild und wischt das ganze Kunstblut weg.) Und mit der Drei hieß es: Goodbye, Buchpreis.

Ich hab damals jede Mathearbeit mit Heulen verbracht, weil es mich so gewurmt habe, dass ich das nicht verstehe. Mein Vater musste sogar mal in die Schule kommen, weil der Lehrer dachte, ich würde für die 3en, die ich bekam, verprügelt oder in den Keller gesperrt oder was auch immer.

Aber es gibt ein gutes Ende: Mein Vater schrieb mir den „alternativen Buchpreis“. Das Coole ist ja, dass ich an diesem Zettel heute deutlich mehr Freude habe als an irgendwelchen Kinderbüchern, die ich mir damals ausgesucht habe.