Ich ess‘ Blumen…?

Ich ess' Blumen

Als vor kurzem endlich die Examensarbeit nicht mehr alles-bestimmend war und wieder Zeit zum Kochen war, hatte ich plötzlich große Lust, neue Rezepte auszuprobieren. Ein Essen, dass ich ganz toll finde, aber bisher nur in Restaurants hatte, ist  Pho, diese großartige vietnamesische Nudelsuppe mit Rindfleisch, Gemüse, aromatischen Gewürzen und Kräutern. Draußen hatte schließlich nun doch der Winter Einzug gehalten, und ich wollte eine große, duftende Schüssel voller Pho, mit wunderbarer selbstgemachter Brühe und all diesen Düften.

Im Supermarkt dann die Suche nach den Zutaten, und irgendwann hatte ich Hühnerklein in der Hand, das der Suppe zusätzlich Aroma und durch die großen Mengen Collagen eine gute Konsistenz verleihen soll. Und dann eine Art Heureka-Moment… Plötzlich sah ich vor meinem inneren Auge, was dieses gefrorene Hühnerklein eigentlich ist. Diese lebendig geschredderten Hähnchenküken, tiefgefroren. Und ich hatte einen richtigen Ekelmoment, mitten im Supermarkt.

Seitdem gibt es bei uns fast gar kein Fleisch mehr. Ich wusste auch schon vor diesem Moment, dass Fleisch von toten Tieren kommt, und ich wusste auch von den Bedingungen, unter denen die meisten dieser Tiere leben. Aber es ist nun einmal sehr leicht, die Frikadelle mit Senf gedanklich von einer lebenden, atmenden Kuh abzukoppeln. Und besonders die Fleischwurst, die ich seit jüngster Kindheit fast noch lieber als Schokolade mag. Oder ein blutiges Steak. Ich esse das alles sehr gerne.

Gleichzeitig aber werde ich mir in letzter Zeit immer wieder der Widersprüche zwischen meinen Idealen und meinen Handlungen bewusst. Ich finde die Arbeitsbedingungen, unter denen die meiste Kleidung gefertigt wird, fürchterlich, kaufe aber trotzdem viele Dinge beim großen H. Ich weiß vom Klimawandel, fahre aber dennoch an jedem Arbeitstag über hundert Kilometer. Und ich weiß, dass für mein Fleischwurstbrot ein Tier sterben muss, finde den Verzicht darauf aber sehr unangenehm. Und doch funktioniert das für mich immer schwieriger. Die letzten Male, die ich „shoppen“ war, bin ich sehr schnell wieder aus dem Laden gelaufen, weil ich es nicht mehr gut vertrage, dass für meinen „Style“, meine Eitelkeit andere Menschen ausgebeutet werden.* Und ich hatte auch immer öfter ein schlechtes Gewissen, wenn ich mir angesehen habe, wie viel Fleisch ich so esse, und wie gedankenlos ich das tue.

Ich sehe nicht, dass aus mir in absehbarer Zeit eine hundertprozentige Vegetarierin werden sollte, und ich habe vor allem nicht vor, plötzlich zur Missionarin zu werden. (Ich finde missionarische Veganer oder Vegetarier vollkommen unerträglich. Wenn mir jemand die eigene Meinung aufdrängt, erreicht er nur, dass ich ihn ignoriere, nicht, dass ich mich dieser Meinung anschließe.) Komplett wird das allein deswegen nur schwer funktionieren, weil ich keine Hülsenfrüchte vertrage, die für Vegetarier eine wichtige Eisenquelle darstellen. Und Tofu finde ich bisher primär merkwürdig. Aber vielleicht klappt es ja, den Fleischkonsum selten, und wenn, dann vollkommen bio zu gestalten. (Ich muss mich allerdings noch informieren, was „bio“ da genau bedeutet.)

In nächster Zeit werde ich versuchen, immer wieder alltagstaugliche vegetarische Gerichte zu posten, die wir in unsere Abendessens-Wochentagsrotation aufgenommen haben. Langeweile geht im Speiseplan einfach gar nicht, und der Verzicht auf irgendetwas macht mich im Kochen eher noch kreativer und neugieriger.

* Mir ist bewusst, dass das sehr vereinfacht dargestellt ist.