Archiv der Kategorie Schule

Stille

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Hier ist es aktuell sehr still.

Das Referendariat hat mich voll im Griff, und zwar nicht in der „Alles ist ganz furchtbar, die bösen, bösen Fachleiter quälen mich ganz grauenhaft und ich schlafe nur 2 Stunden pro Nacht“-Art. Im Gegenteil: Mir macht das, was ich gerade tue, unglaublichen Spaß. Klar, es dürfte weniger Arbeit sein, aber die Hauptarbeit (Unterrichtsvorbereitung und eigentlich alles, was mit meinen Schülern zu tun hat) ist eben aktuell viel Aufwand. Ich lerne ganz viel, ich lese mich ein, ich probiere aus. Ich mache Fehler und mache einiges schon ziemlich gut.

Und ich verliere mich darin. Ich bin eine dieser fürchterlichen Referendarinnen, die eigentlich nur von Schule reden will, von neuen Methoden und Ideen und all den kleinen Anekdoten, die meinen Alltag ausmachen. Das alles aber passt nicht auf diesen Blog (und darf ohnehin nicht veröffentlicht werden). Also ist es hier still.

Dazu kommt, dass ich mir das alles hier ansehe, und mich frage, was davon für mich noch passt, und was ich eigentlich hier teilen will. Was habe ich beizutragen, das wichtig genug ist und schön genug, um es in die Welt hinauszurufen? Das nächste DIY-Projekt, das andere viel besser können? Mein neues Lieblingsrezept? Will das überhaupt jemand wissen? Macht es jemandes Tag schöner?

Das ist nämlich der Anspruch, den ich an vieles habe, was ich momentan tue. Macht mein Unterricht etwas besser für meine Schüler? Ihr Wissen über die Welt, ihre Einstellung zu Schule, ihr Bild von dem, wer und was sie sind und welches wunderbare, schöne Potential in jedem einzelnen von ihnen steckt? Wenn dann in meinem Unterricht eine sehr, sehr stille Schülerin den Mund aufmacht und zwei Minuten lang vor allen redet, auf englisch, das macht verdammt viel besser.

Wenn ich meine Stimme in den Chor hier draußen einreihe, dann muss sie etwas bewirken. Und das lote ich aktuell aus.

Ich bin übrigens an euren Meinungen dazu sehr interessiert.

Alltagshelden, die siebenundfünfzigste

Jeden Dienstag aufs Neue Dinge, die mein Leben schöner machen, einfacher, genussvoller. Alltagshelden, die man sonst gerne mal übersieht. Nach einer Idee von Roboti.

Die Kunstwerke, die so in meiner AG entstehen.

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Heute wurde Geschenkpapier (simples Packpapier) bedruckt, mit Fingermalfarbe (denn man lernt – Farbe landet immer auch da, wo sie nicht landen soll) und allem möglichen „Müll“. Eigentlich sollen die Schüler da selbst sammeln, als Kreativitätsübung, als Bewusstseinsmachung von „Müll ist auch eine Ressource“. Tun sie aber oft nicht, weil es Kinder sind. Und wenn Weihnachtsferien waren und ich danach eine Woche krank war, muss ich alles selbst mitbringen. (Mittlerweile bin ich aber stolz darauf, dass sie die Basics wie Schere und Kleber meistens dabei haben. Ich bin wirklich stolz auf solche Erfolge.) Also durchwühle ich meine Schränke und bringe „Stempel“ mit: Da gab es Flip-Flops, die ich nicht mehr trage, Schminkschwämmchen, einen Kamm, Filmdöschen, einige selbstgemachte Stempel, Spülschwämme und einiges mehr. (Nils, falls du die Spülschwämme suchst – äh. Ja. Sorry. Ich besorge neue.)

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Nächsten Dienstag werde ich übrigens das letzte Mal mit der Gruppe arbeiten. Ich werde sie vermissen, und ihren Aussagen nach geht es ihnen ganz genauso. Sie kündigen ja an, dass sie sich an mich ketten wollen, wahlweise wollen sie mich auch einfach an einen Stuhl fesseln. Solltet ihr also nichts mehr von mir hören nach Dienstag, informiert die Behörden…

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Und was habe ich durch die Gruppe gelernt?

  • Ein bisschen Chaos schadet dem Lernprozess nicht. Die Kinder hatten einen Riesenspaß und haben auch immer geholfen, hinterher zu putzen und aufzuräumen.
  • Es funktioniert, sich in einer AG duzen zu lassen. Im Unterricht würde ich das aber nicht wollen, weil ich die Distanz dann manchmal doch brauche. (Allein schon, wenn ich die Schüler bewerten muss.)
  • Es ist gut, Kindern ganz ehrlich zu zeigen, wie sehr man sie mag.
  • Kinder lieben Glitzer. Deswegen: Glitzer überall einbauen, wo es nur geht. (Auf eigentlich allen gezeigten Bildern ist Glitzer.)

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Und sie merken es auch, wie man sieht:

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Oh, und seit gestern weiß ich, was für eine Klasse ich ab Februar übernehme: Ich werde eine neunte Klasse in Mathematik unterrichten, eigenverantwortlich, mit Benotung und allem. Ich bin total gespannt und hibbelig auf „meine“ erste richtige Klasse. (Aber euch vergesse ich trotzdem nicht, meine Hasen!)

 

Alltagshelden, die dreiundfünfzigste

Jeden Dienstag aufs Neue Dinge, die mein Leben schöner machen, einfacher, genussvoller. Alltagshelden, die man sonst gerne mal übersieht. Nach einer Idee von Roboti. Heute (wie auch letzte Woche schon) nur einer. Weil manche Helden so toll ist, dass sie das Rampenlicht ganz alleine brauchen.

Ich habe heute den Schülern meiner Upcycling-AG erzählt, dass ich im nächsten Halbjahr nicht wiederkomme, weil ich umziehen muss. Die Empörung war groß, was mein Ego doch sehr gestreichelt hat. Ein Schüler hat für sich eine Gelegenheit erkannt und gleich gefragt, ob er dann nicht die AG leiten dürfe – der Junge ist 11. Ziemlich geschäftstüchtig, ich musste echt schmunzeln.

Und als ich dann am Aufräumen war, haben die Schüler das hier an die Tafel geschrieben:

Ich werde mir das Foto ausdrucken und an die Wand hängen. Ich meine, egal, was das Ref bringt, egal, wofür ich alles kritisiert werde und wie oft ich verkacken werde (und das gehört zum Lernprozess einfach dazu) – das habe ich geschafft. Das, worauf es im Endeffekt ankommt: dass ich zu den Schülern durchdringen kann. (Hab ich schon erzählt, dass mittlerweile die meisten meiner AG-Schüler bei sich zu Hause Origami üben, weil sie das so toll finden?)

Die haben echt mein Herz geklaut, die Kleenen.

P.S.: Denkt an das Adventskalender-Gewinnspiel!!

Die ersten Tage

Nein, das hier wird kein Lehrerblog. (Höchstens ein bisschen. Manchmal.)

Aber ich bin jetzt in meiner ersten Schulwoche, und es ist einfach alles spannend und neu und überhaupt. Toll.

Jeden Morgen nehme ich um 6:28 einen Bus, damit ich ab 7:25 frierend draußen stehen kann und Busaufsicht führe. Heißt: Ich passe auf, dass die Schüler, die mit dem Bus ankommen, sich benehmen. Nicht rauchen, nicht prügeln, sich nicht vor fahrende Fahrzeuge schubsen. Sowas eben. Das ist erstaunlich meditativ, und wenn man sich eine heiße Tasse Schwarztee mitnimmt, ist es auch gar nicht so kalt.

Überhaupt. Ich stehe nicht gerne früh auf – wenn man mich ließe, würde ich von 2 Uhr morgens bis 10 schlafen und wäre damit vollkommen glücklich. 6 Uhr ist da… eine Umgewöhnung. Und trotzdem entdecke ich vielevieleviele kleine Freuden daran: Die Busfahrten durchs Ammerland mit der Landschaft, die ich wirklich liebe. Immer wieder sehe ich Eichhörnchen oder Vögel, die mir sonst nicht begegnen. Die Farbe, die der Himmel um diese Uhrzeit hat. Die letzten verblassenden Sterne. Die noch sehr leere Schule, da ich schon vor 7 ankomme, um pünktlich bei der Arbeit zu sein. (So ein Ort, der normalerweise voller Menschen und ihren Stimmen ist, ist im leeren Zustand ganz besonders.) Die Möglichkeit, meine Kopien zu machen, bevor der Kopierraum überrannt ist. Und vor allem: Der Assistent des Hausmeisters, der jeden Morgen extra ganz früh kommt, um für alle Lehrer und sonstigen Mitarbeiter Tee und Kaffee zu kochen, damit der Tag auch gut beginnt. Und der mir heute eine Tasse Tee verordnet hat, damit ich bei der Aufsicht nicht friere. (Aus einer Weihnachtstasse, weil es ja kalt ist morgens.) So bekomme ich neue Rituale.

Und gestern dann war ich zum ersten Mal in einer Klasse. Und ich stelle fest: Verdammt, ist das schwer. Ich übernehme aktuell keine Klasse für längere Zeit, sondern springe immer nur für Einzelstunden ein, wenn ein Lehrer über Nacht krank geworden ist. Keine einfache Situation, weil die Schüler nun einmal in der Pubertät sind und Grenzen testen wollen. Und wenn man dann unerfahren ist und nur ein einziges Mal kommt, testen sie eben. Wenn ich nicht mit Strafarbeiten um mich werfen will, kann ich da (noch) nicht viel machen. Da kann ich verdammt viel lernen. Wie man ruhig bleibt und auch mal mit Gegenwind umgeht. Oder mit pubertierenden Schülern, die auf Sportunterricht eingestellt waren, jetzt aber halbwegs stillsitzen sollen und mit ihrem Bewegungsdrang einfach nicht umzugehen wissen. Ist eine gute Vorbereitung fürs Referendariat. Wenn der Schultag zu Ende ist, überlege ich mir, was schiefgelaufen ist, und was die nächsten Schritte zur Lösung des Problems sind. Und ich überlege, was gut war und was ich mir merken kann. Das nennt sich „Lernprozess“, schätze ich.

Wenn ich nicht für eine Vertretungsstunde gebraucht werde, wurde mir gesagt, dass ich die Zeit am besten nutzen sollte, um zu hospitieren, und das habe ich heute gemacht. Es ist erstaunlich, wie sehr ich mich wieder nach Schüler fühle, wenn ich in der letzten Reihe neben einem Schüler sitze, und wie meine Arm ein bisschen zuckt, wenn ich eine Antwort weiß. Aber es ist jetzt ja nicht unbedingt überraschend, dass ich den Mathestoff der achten Klasse beherrsche, und ebenso sehr beherrsche ich mich dann und gewöhne mich an meine neue Rolle. Und ich bin überrascht, wieviel ich durchs Zusehen lerne. Unterrichtseinstiege, den Umgang mit Unterrichtsstörungen, Argumentationsstränge.

Es ist auf keinen Fall einfach, aber ich bin am richtigen Ort. (Ich meine – ein Ort, an dem man ein Huhn von innen bewundern kann, muss doch richtig sein.)


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