Die ersten Tage

Nein, das hier wird kein Lehrerblog. (Höchstens ein bisschen. Manchmal.)

Aber ich bin jetzt in meiner ersten Schulwoche, und es ist einfach alles spannend und neu und überhaupt. Toll.

Jeden Morgen nehme ich um 6:28 einen Bus, damit ich ab 7:25 frierend draußen stehen kann und Busaufsicht führe. Heißt: Ich passe auf, dass die Schüler, die mit dem Bus ankommen, sich benehmen. Nicht rauchen, nicht prügeln, sich nicht vor fahrende Fahrzeuge schubsen. Sowas eben. Das ist erstaunlich meditativ, und wenn man sich eine heiße Tasse Schwarztee mitnimmt, ist es auch gar nicht so kalt.

Überhaupt. Ich stehe nicht gerne früh auf – wenn man mich ließe, würde ich von 2 Uhr morgens bis 10 schlafen und wäre damit vollkommen glücklich. 6 Uhr ist da… eine Umgewöhnung. Und trotzdem entdecke ich vielevieleviele kleine Freuden daran: Die Busfahrten durchs Ammerland mit der Landschaft, die ich wirklich liebe. Immer wieder sehe ich Eichhörnchen oder Vögel, die mir sonst nicht begegnen. Die Farbe, die der Himmel um diese Uhrzeit hat. Die letzten verblassenden Sterne. Die noch sehr leere Schule, da ich schon vor 7 ankomme, um pünktlich bei der Arbeit zu sein. (So ein Ort, der normalerweise voller Menschen und ihren Stimmen ist, ist im leeren Zustand ganz besonders.) Die Möglichkeit, meine Kopien zu machen, bevor der Kopierraum überrannt ist. Und vor allem: Der Assistent des Hausmeisters, der jeden Morgen extra ganz früh kommt, um für alle Lehrer und sonstigen Mitarbeiter Tee und Kaffee zu kochen, damit der Tag auch gut beginnt. Und der mir heute eine Tasse Tee verordnet hat, damit ich bei der Aufsicht nicht friere. (Aus einer Weihnachtstasse, weil es ja kalt ist morgens.) So bekomme ich neue Rituale.

Und gestern dann war ich zum ersten Mal in einer Klasse. Und ich stelle fest: Verdammt, ist das schwer. Ich übernehme aktuell keine Klasse für längere Zeit, sondern springe immer nur für Einzelstunden ein, wenn ein Lehrer über Nacht krank geworden ist. Keine einfache Situation, weil die Schüler nun einmal in der Pubertät sind und Grenzen testen wollen. Und wenn man dann unerfahren ist und nur ein einziges Mal kommt, testen sie eben. Wenn ich nicht mit Strafarbeiten um mich werfen will, kann ich da (noch) nicht viel machen. Da kann ich verdammt viel lernen. Wie man ruhig bleibt und auch mal mit Gegenwind umgeht. Oder mit pubertierenden Schülern, die auf Sportunterricht eingestellt waren, jetzt aber halbwegs stillsitzen sollen und mit ihrem Bewegungsdrang einfach nicht umzugehen wissen. Ist eine gute Vorbereitung fürs Referendariat. Wenn der Schultag zu Ende ist, überlege ich mir, was schiefgelaufen ist, und was die nächsten Schritte zur Lösung des Problems sind. Und ich überlege, was gut war und was ich mir merken kann. Das nennt sich „Lernprozess“, schätze ich.

Wenn ich nicht für eine Vertretungsstunde gebraucht werde, wurde mir gesagt, dass ich die Zeit am besten nutzen sollte, um zu hospitieren, und das habe ich heute gemacht. Es ist erstaunlich, wie sehr ich mich wieder nach Schüler fühle, wenn ich in der letzten Reihe neben einem Schüler sitze, und wie meine Arm ein bisschen zuckt, wenn ich eine Antwort weiß. Aber es ist jetzt ja nicht unbedingt überraschend, dass ich den Mathestoff der achten Klasse beherrsche, und ebenso sehr beherrsche ich mich dann und gewöhne mich an meine neue Rolle. Und ich bin überrascht, wieviel ich durchs Zusehen lerne. Unterrichtseinstiege, den Umgang mit Unterrichtsstörungen, Argumentationsstränge.

Es ist auf keinen Fall einfach, aber ich bin am richtigen Ort. (Ich meine – ein Ort, an dem man ein Huhn von innen bewundern kann, muss doch richtig sein.)