Lonely Planet

Jeden Donnerstag wieder ein Gegenstand, der viele Erinnerungen birgt.

Das Buch auf dem Foto oben ist mein „Lonely Planet“ – der Reiseführer, mit dem ich 2008 durch Australien gereist bin.

Da ich unter anderem Anglistik studiere, war ich verpflichtet, irgendwohin ins englischsprachige Ausland zu gehen. Großbritannien und die USA fand ich irgendwie langweilig (das machen doch alle!), und Australien hatte den Geruch von Abenteuern an sich. Weit weg, giftige Tiere, unglaubliche Landschaften. Also entschied ich mich, für 8 Monate nach Australien zu gehen, um erst 3 Monate ein Praktikum bei Mercedes-Benz Australia in der Nähe von Melbourne zu machen, und dann 5 Monate durch dieses riesige Land zu backpacken.

Es war eine intensive Zeit. Aber hallo.

Als ich damals ging, war ich erst 5 Monate mit meinem Freund zusammen. Ich hatte die Entscheidung für Australien getroffen, bevor ich ihn traf, und er war immer der Meinung, dass ich gehen sollte. (Er hat mich sogar – trotz Flugangst – für 6 Wochen besucht während seiner Semesterferien.)

Ich hatte wahnsinniges Heimweh (nach ihm, nach meinen Freunden, nach deutschem Brot und Fleischwurst), habe bekannte Gesichter vermisst und hinter jeder Ecke eine Riesenspinne vermutet. Also, zu Beginn.

Aber ich habe einfach auch so unglaublich viel erlebt. Ich habe 3 Monate in einem großen Unternehmen mitgearbeitet und habe sogar eine große Konferenz mitorganisiert. Ich habe neues Essen probiert, neue Orte gesehen, neue Leute getroffen und bin immer und immer und immer wieder an meine Grenzen gegangen und darüber hinaus. 2 Monate lang alleine mit meinem Rucksack unterwegs. Die heftigste Wanderung meines Lebens mit steilen Abgründen und teilweise bis zum Kinn in Wasser unterwegs. Unter den Sternen schlafen. Tagelang nicht duschen dürfen, weil das Wasser nur fürs Trinken reicht. Minutenlang eine riesige Spinne anstarren, um zu sehen, dass ich das kann. Mich im Outback verirren, weil ich unbedingt zu der einzigen (solarbetriebenen) Telefonzelle weit und breit wollte, um Nils‘ Stimme kurz zu hören. 41 Stunden lang mit dem Zug durchs Nirgendwo. 12-Stunden-Schichten in einem Dönerladen, dort Stewardessen aus Singapur treffen, den Job hinschmeißen und mit ihnen durch Perth laufen. Als Zimmermädchen arbeiten. In das tollste Kino der Welt gehen. Einfach für Fremde kochen, um im Hostel eine familiäre Atmosphäre herzustellen. Tagelang meinen Lebenslauf spazierentragen, um irgendwo einen Job zu finden. Einen riesigen Abwasch machen für eine Stunde Internet gratis. Auf eine Wiese kommen, und dort sind hunderte freilebende Kängurus. Kakadus und Ibisse überall, auch in den Städten. Die schönsten Sonnenuntergänge meines Lebens. Nach einer stundenlangen, stickig heißen Busfahrt einfach mit den Klamotten in einen Pool springen. Eine Woche lang am Arsch der Welt festhängen, dort geliehene Bücher lesen und Nudeln mit Tomatensauce essen, weil das Geld sonst nicht mehr reicht für den Rest des Urlaubs.

Eine Tour de Force.

Ich bin übrigens nur 6 Monate geblieben. Ich habe Nils einfach zu sehr vermisst und wollte Weihnachten nicht in der Ferne verbringen.

Und der Lonely Planet? Der ist ein Symbol für all das geworden. Mit ihm habe ich mich in diesem riesigen Land orientiert, habe die nächste Station festgelegt, den nächsten Imbiss gefunden, etwas über den nächsten Ort herausgefunden, die nächste Unterkunft entdeckt.